Auch wenn es für kleine Unternehmen und Vereine Ausnahmen gibt, ist es für alle Betreiber von Webseiten aus verschiedenen Gründen ratsam, Barrierefreiheit umzusetzen. Damit umgeht man alle Risiken und nutzt das Potenzial für mehr Umsatz und bessere Platzierung in den Suchmaschinen. In diesem Beitrag erfahren Sie mehr dazu.
Nach etlichen neuen Gesetzen, die viele Unternehmen und Vereine zurzeit umsetzen mussten und müssen, kommt nun noch ein weiteres hinzu: das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, kurz BFSG. Es soll dafür sorgen, dass Menschen mit Einschränkungen möglichst ungehindert Produkte und Dienstleistungen nutzen können. Das ist soweit löblich und zu begrüßen. Schwierig ist auch hier in manchen Teilen die Umsetzung, mit Aufwand und Kosten verbunden und oftmals, das ist von meiner Seite die vorwiegende Kritik, schwammig und ungenau formuliert. Es bleiben viele Fragen offen.
Aus gutem Grund wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man sich bei einem Juristen erkundigen soll, ob man als Betreiber einer Website betroffen ist. Die bisherigen Rechtstexte und Interpretationen sind oftmals unscharf. Dieser Beitrag ist daher selbstverständlich keine Rechtsberatung, sondern lediglich eine Übersicht zur aktuellen Lage.
Die unscharfen Formulierungen werden möglicherweise Tür und Tor öffnen für lautere und vor allem unlautere Abmahnungen, zumal, wie man an manchen Stellen lesen kann, auch Privatpersonen abmahnen können. Schon die Rechtsunsicherheiten halte ich für einen wichtigen Anlass, eine Website auf Unzulänglichkeiten im Sinne des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes zu überprüfen.
Schwer einzugrenzen, wer tatsächlich betroffen ist
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) bezieht sich hauptsächlich auf öffentliche Stellen und Unternehmen, die Dienstleistungen oder Produkte anbieten, die für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein müssen. Das beinhaltet Behörden, öffentliche Institutionen und Einrichtungen, die verpflichtet sind, ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei zu gestalten. Unternehmen, die in bestimmten Bereichen tätig sind, wie im Einzelhandel, im Finanzdienstleistungssektor oder im Transportwesen, sind ebenfalls verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei anzubieten, wenn sie diese der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Dazu gehören E-Commerce-Websites und andere digitale Dienstleistungen, die für jedermann zugänglich gemacht werden.
Aus meiner Sicht ist undurchsichtig formuliert, wer nun eigentlich gemeint ist. Bei meiner Recherche im Netz bin ich auf etliche Kommentare von Juristen gestoßen, die unterschiedliche Beispiele für die Unsicherheit benennen. Es ist anzunehmen, dass es zunächst zu etlichen Abmahnungen kommt, die gerichtlich geklärt werden müssen und dann, schrittweise, für eine Konkretisierung sorgen. Aber wer möchte gerne zu denen gehören, die diese Verfahren durchkämpfen müssen? Lesen Sie dazu mein Fazit und lassen Sie sich ggf. im Vorfeld juristisch beraten.
Ausnahmen
Websites, die unter bestimmten Umständen von den Bestimmungen des Gesetzes ausgenommen sein könnten, sind häufig solche, die nicht öffentlich zugänglich sind oder deren Inhalte keine kommerziellen Zwecke verfolgen. Dazu könnten unter anderem interne Intranets von Unternehmen, private Blogs ohne Werbeabsicht oder kleinere Websites mit begrenztem geografischem Zielpublikum gehören. Auch hier gilt: Nichts Genaues weiß man nicht.
Kleinstbetriebe, oft als Kleinstunternehmen bezeichnet, sind Unternehmen mit einer sehr geringen Anzahl an Mitarbeitern und einem meist geringen Umsatz. Im Gesetz heißt es konkret: „Kleinstunternehmen (Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder dessen Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft) sind vom Gesetz teilweise ausgenommen.“ Die Unsicherheit, die das Wort „teilweise“ vermittelt, ist groß. Websites, die ausschließlich der Kommunikation zwischen Unternehmen dienen, sogenannte B2B-Seiten, sind offenbar vom Gesetz ausgenommen. Ich kann mir allerdings kaum vorstellen, dass dies in der Praxis haltbar sein wird, denn auch in Unternehmen arbeiten Menschen mit weiter unten genannten Einschränkungen, die von der digitalen Teilnahme ausgeschlossen sein könnten. Zudem gibt es auch dazu Stellungnahmen von Juristen, die auf den öffentlichen Geschäftsanbahnungszweck hinweisen, den auch B2B-Seiten haben.
Für Vereine und Organisationen, unsere zweite Zielgruppe neben kleinen Unternehmen, gilt das BFSG im Übrigen ebenfalls. Auch hier sind die Vorschriften für Websites und digitale Angebote (und im Übrigen auch die sonstigen Grundsätze auf Barrierefreiheit) zu prüfen. Und auch ist davon auszugehen, dass kleine gemeinnützige Vereine unter Umständen von den Regelungen ausgenommen sein können.
Einzig für rein private Webseiten darf angenommen werden, dass sie vom Gesetz ausgenommen sind. Aber auch hier gelten aus meiner Sicht ethische Verpflichtungen zur leichteren Ermöglichung der digitalen Teilnahme.
Über welche Einschränkungen reden wir?
Menschen mit verschiedenen körperlichen oder mentalen Einschränkungen können eine Reihe von Herausforderungen und Problemen erleben, wenn sie auf nicht barrierefreien Websites surfen. Nachfolgende zum besseren Verständnis einige Beispiele: Menschen mit Sehbehinderungen, einschließlich Blinden und Personen mit Sehschwächen, können Schwierigkeiten haben, Inhalte zu lesen, wenn Websites nicht für Bildschirmlesegeräte optimiert sind oder wenn der Textkontrast unzureichend ist; Menschen mit Hörschwierigkeiten können Probleme haben, wenn es keine Transkriptionen oder Untertitel für Audio- und Videoinhalte gibt; Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen können Schwierigkeiten haben, kleine Schaltflächen oder Links zu klicken, insbesondere wenn sie keine Tastaturnavigation unterstützen; Personen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder Lernschwierigkeiten können überfordert sein durch komplexe Navigation, unstrukturierte Inhalte oder Fachjargon, der nicht erklärt wird; Menschen mit Farbenblindheit benötigen oft Websites, bei denen die Information nicht nur durch Farbe vermittelt wird; Menschen, die anfällig für epileptische Anfälle sind, könnten durch blinkende oder flackernde Inhalte beeinträchtigt werden.
Diese Herausforderungen können dazu führen, dass Menschen mit Behinderungen nicht auf alle Informationen zugreifen können, Schwierigkeiten bei Online-Transaktionen haben oder sich schlicht ausgeschlossen fühlen. Eine barrierefreie Website stellt sicher, dass sie für alle zugänglich ist, unabhängig von individuellen Einschränkungen.
Unabhängig von Ausnahmen sollte es uns wichtig sein, möglichst vielen Menschen den Zugang zu unseren Informationen zu ermöglichen, schon aus gesellschaftlicher und ethischer Sicht. Die Zahl der Betroffenen ist groß, aber kaum zu benennen. In Deutschland gibt es etwa 7,8 Millionen Menschen mit einer anerkannten Behinderung. Nicht für alle ist damit die Bedienung einer Website eingeschränkt. Hier geht es um Einschränkungen, die nicht unbedingt statistisch erfasst sind; die obige Übersicht zeigt, dass der Begriff deutlich weiter gefasst werden muss. Es geht hier auch um Einschränkungen, die im Alter zunehmen. Ich würde, gestützt auf meine berufliche Praxis, davon ausgehen, dass es sich um viele Millionen Menschen und damit einen beträchtlichen Teil handelt, denen wir mit möglichst barrierefreien Webseiten eine Freude machen. Und, das soll bitte nicht missverstanden werden, bei der großen Zahl handelt es sich um eine erhebliche Gruppe an Menschen, die wir unter Umständen nicht für unsere Produkte, Dienstleistungen oder Angebote erreichen.
Fazit: Was ist für kleine Unternehmen und Vereine zu tun?
Grundsätzlich und noch einmal ist im Zweifel juristischer Rat einzuholen, bei dem geklärt wird, ob Ihre Website und natürlich auch Ihre Produkte oder Dienstleistungen unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fallen.
Überdies glaube ich, dass es für jeden Anbieter wichtig und sinnvoll ist, sich mit der Barrierefreiheit einer Website zu beschäftigen. Unabhängig davon, ob kleine Unternehmen und Vereine von der Wirkung des BFSG ausgenommen sind oder nicht, wird es einen gesellschaftlichen Druck für barrierefreie Seiten geben. Einfacher zu bedienende Internetauftritte werden einen Wettbewerbsvorteil bedeuten und die erreichbare Zielgruppe erweitern. Zudem werden, das gilt bereits jetzt, entsprechende Webseiten in den Suchmaschinen besser gefunden. Bei der Gelegenheit können auch andere Schwächen ausgemerzt und Aktualisierungen vorgenommen werden, und auch für eine Suchmaschinen-Optimierung der Inhalte wäre das der richtige Zeitpunkt. Insofern verliert auch das sperrige und unklare Barrierefreiheitsstärkungsgesetz seine bedrohliche Seite und wird zur Chance für kleine Organisationen.
Hilfreiche Links
Hier finden Sie das komplette Barrierefreiheitsstärkungsgesetz. Sie können dort das Gesetz auch als PDF ausgeben und speichern.
Gemeinsam mit Partnern klärt BIK für Alle über die Vorteile eines barrierefreien Internets auf und unterstützt bei der Einhaltung von Standards.
Richtlinien für die Zugänglichkeit von Webinhalten (WCAG) 2.1 in englischer Sprache